Bürgermeister Lierenfeld bestreitet verwundert, dass in seiner Amtszeit allein durch die Gewerbesteuer bisher über 80 Mio. Euro mehr in der Kasse Dormagens waren. Wir legen die Zahlen samt Quellen auf den Tisch und beleuchten zudem das Kapitel der Kassenkredite: Der Überziehungsrahmen der Stadt betrug vor seinem Amtsantritt 48 Mio. Euro. Nur 6 Jahre später sind es 120 Mio. Euro, also das 2,5-Fache!
Wir fragen uns, wieso ein solcher Verschuldungsspielraum dringend benötigt wird, wo der Bürgermeister sich doch gerade erst für eine solide Haushaltskonsolidierung gelobt hat. Wo sind die unglaublichen Überschüsse alle geblieben? – Schauen Sie sich die Zahlen selbst an.
Unsere Ausgangskritik an der Darstellung der Finanzsituation
Anfang Juni hatten wir kritisiert, dass Bürgermeister Lierenfeld stolz ein positives Jahresergebnis präsentiert und sich in der Presse selbst für eine konsequente und strategische Haushalts-Konsolidierung lobt. Diese Darstellung ist ein Zerrbild, denn in den 6 Jahren seiner Amtszeit gab es allein bei der Gewerbesteuer (GewSt) satte Mehreinnahmen in Höhe von über 80 Millionen Euro, verglichen mit der Ausgangssituation vor seinem Amtsantritt!
Diese gewaltigen Mehreinnahmen haben wir nicht einer vermeintlich guten Arbeit des Bürgermeisters, sondern einer unerwartet stark boomenden Wirtschaft zu verdanken.
Bürgermeister bestreitet solche Mehreinnahmen
Erik Lierenfeld äußerte sich jüngst über unsere Kritik in einem Zeitungsartikel: „Woher das Zentrum diese Zahlen nimmt, bleibt ein Rätsel. Diese sind völlig falsch“. Weiterhin führte er aus, dass die öffentlich zur Verfügung stehenden Daten zeigten, dass die Stadt Dormagen in den letzten 6 Jahren rund 35 Millionen Euro Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer gehabt habe.
Auf der Suche nach 80 Mio. Euro
An dieser Stelle nutzen wir ebendiese öffentlichen Daten in Form der Jahresabschlüsse der Stadt und liefern direkt auch die entsprechenden Links mit dazu. Wir helfen dem Bürgermeister gerne bei der Suche nach den Mehreinnahmen seit seinem Amtsantritt und rechnen die Einzelwerte zusammen.
Der letzte Stand der Gewerbesteuer-Einnahmen vor der Amtszeit des SPD-Bürgermeisters betrug 19,5 Millionen Euro (Ausgangswert = Jahresabschluss vom 31.12.2013). In den Folgejahren entwickelten sich die Erträge aus der GewSt in Dormagen wie folgt (Quellen-Links, s.u.):
- 2014 sanken die Einnahmen auf 18,9 Mio. Euro (-0,6 Mio. Euro, ggü. Ende 2013)
- 2015 stiegen die Einnahmen auf 27,4 Mio. Euro (+8 Mio. Euro, ggü. Ende 2013)
- 2016 stiegen die Einnahmen weiter auf 33,8 Mio. Euro (+14,4 Mio. Euro, ggü. Ende 2013)
- 2017 stiegen die Einnahmen erneut auf 34,4 Mio. Euro (+15 Mio. Euro, ggü. Ende 2013)
- 2018 stiegen die Einnahmen auf 37,6 Mio. Euro (+18,2 Mio. Euro, ggü. Ende 2013)
- 2019 erreichten die Einnahmen stattliche 47,1 Mio. Euro (+27,7 Mio. Euro, ggü. Ende 2013)
Zur Berechnung
Nun mag sich manch einer fragen: Wieso werden alle Jahreswerte immer mit dem Endwert von 2013 verglichen?
Zum einen ist dies der effektive Startwert seines Amtsantritts. Zum anderen wird so das Wirtschaften in seiner Amtszeit richtig betrachtet: wurden die Mehreinnahmen bspw. zum Schuldenabbau und somit zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt oder wurden sie im Folgejahr gleich wieder verpulvert? Hieran zeigt sich, wie die Stadt die laufenden Ausgaben immer weiter in die Höhe getrieben hat.
Dass der Bürgermeister eine Betrachtung von Jahr zu Jahr bevorzugt, ist aus seiner Sicht nachvollziehbar, denn so werden die immensen Mehrausgaben mit den Mehreinnahmen aus den Boomzeiten verrechnet. Die immer weiter angestiegenen Ausgaben sind so natürlich weniger sichtbar. Das geht allerdings nur so lange gut, wie jedes Jahr weiter immer mehr Geld in die Kasse kommt. Damit ist seit Corona aber wohl leider Schluss und Dormagen läuft nun Gefahr, eine schmerzhafte Bruchlandung hinzulegen, weil nicht gespart, sondern immer mehr Geld umgehend wieder ausgegeben wurde.
82,2 Mio. Euro mehr an GewSt gegenüber dem Amtsantritt
Ausgehend vom Jahresabschluss vor seinem Amtsantritt, ergeben sich in seiner Amtszeit also Mehreinnahmen in Höhe von 82,2 Mio. Euro, und das allein im Bereich der Gewerbesteuer! Über derartig sprudelnde Mehreinnahmen hätte sich jeder seiner Vorgänger mehr als gefreut.
Es gehört zur politischen Verantwortung mit dazu, dass mit Mehreinnahmen besonnen umgegangen wird. Zur Erinnerung: Dormagen befand sich bis 2015 sogar noch in der Haushaltssicherung. Stattdessen wurden die Ausgaben immer heftiger ausgeweitet und diese Überschüsse von Jahr zu Jahr nahezu vollständig aufgebraucht. Wenn man die sprudelnden Mehreinnahmen sofort wieder mit beiden Händen ausgibt, ist es nur allzu verständlich, dass Bürgermeister Lierenfeld sich medienwirksam wundert, woher denn die Zahl der 80 Mio. Euro komme.
Jahresabschlüsse: Der Bürgermeister war anscheinend nur 4 von 6 Jahren im Amt
Im selben Zeitungsartikel hebt der Bürgermeister seine positiven Jahresabschlüsse der letzten vier Jahre hervor und nennt die Zahl von rund 20 Millionen Euro. Bewusst lässt er also die ersten Jahresabschlüsse seiner Amtszeit weg, welche 2014 begannt und nicht erst 2016. Betrachtet man auch diese beiden von ihm ausgeschwiegenen Jahre, reduziert sich die tatsächliche Summe der Jahresüberschüsse drastisch auf 7,47 Mio. Euro (-8,36 / -4,17 / 8,11 / 3,37 / 1,42 / 7,1).
Vergleichen Sie selbst
Wenn man den oben genannten Überschuss aus den 6 Jahren des SPD-Bürgermeisters allein den Mehreinnahmen von über 80 Mio. Gewerbesteuer im selben Zeitraum gegenüberstellt, wird deutlich, wie sehr die Ausgaben der Stadt explodiert sind und wie schlecht seine Bilanz in Wahrheit ist. Es bleibt daher bei der Feststellung der Zentrumsfraktion von Juni:
Es ist schon eine Kunst, dass von diesen immensen Mehreinnahmen fast nichts übrig geblieben ist.
Kapitel 2: Kassenkredite (von 48 auf 120 Mio.)
Doch damit nicht genug! Ein weiteres Finanz-Kapitel sind die immens gestiegenen Kassenkredite der Stadt. Diese sind ähnlich einer privaten Girokonto-Überziehung zu verstehen. Der Verschuldungsrahmen betrug vor dem Amtsantritt von Erik Lierenfeld 48 Mio. Euro (Stand 31.12.2013). Dieser Verschuldungs- bzw. Überziehungsrahmen, wurde jüngst auf 120 Mio. Euro ausgeweitet. Erst auf die Kritik des Zentrums hin, dass Herr Lierenfeld diese Zahlen bei seiner Überschuss-Pressemitteilung ausgeschwiegen hat, nahm er hierzu im Zeitungsartikel Stellung.
Pensionskosten: Die ganze Geschichte zum Beschluss von 2016
Erik Lierenfeld gibt zum Thema Kassenkredite an, dass allein 50 Millionen Euro davon eingesetzt wurden, um Rückdeckungsversicherungen für zukünftige Pensionskosten zu finanzieren. Das ist richtig. Ebenso ist seine Aussage zutreffend, dass die Zentrumsfraktion dieser Maßnahme damals zugestimmt hatte. Aber wie so oft, geht er nicht auf alle wichtigen Details ein, wenn es ihm zum Vorteil gereicht.
Natürlich wollte das Zentrum die Versäumnisse der vorherigen Regierungen von CDU wie SPD in Dormagen abfangen. Die Pensionsansprüche der städtischen Beamten waren nämlich nicht vollständig abgesichert worden. Ende 2016 ging es darum, dieses große Problem kurzfristig zu lösen. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass von Anfang an bei den Beschlüssen im Rat von SPD-Bürgermeister Lierenfeld und CDU-Kämmerin Gaspers immer wieder betont wurde, dass die Finanzierung dieser Maßnahme über Kassenkredite nur kurzfristiger Natur sei.
Langfristige Finanzierung soll plötzlich nicht mehr möglich sein
2016 wurde zugesagt, dass eine solide Gegenfinanzierung über langfristige Kredite vorgenommen werde. Unter dieser Prämisse stimmte die Zentrumsfraktion 2016 zu und wir warten bis heute (2020!) auf den versprochenen Umschuldungsplan. In der Ratssitzung am 25. Juni 2020 haben wir die (neue) Kämmerin erneut nach dem ausstehenden Finanzierungsplan gefragt. Diese erwiderte zu unserem Erstaunen, dass eine langfristige Finanzierung nun nicht mehr möglich sei.
Übersetzt heißt das, dass die gigantische Investition von 50 Mio. Euro mit dem „Überziehungskredit des Girokontos“ getätigt wurde. Wir kritisieren an dieser Stelle nochmals ausdrücklich das gefährliche Handlungsmuster von Bürgermeister und Kämmerin:
Die Kassenkredite werden zum wiederholten Mal für misslungene Finanztransaktionen missbraucht. Es kann nicht sein, dass die Stadt weitreichende Projekte wie die Regelung der Pensionsansprüche, die eine solide, langfristige Finanzierung brauchen, immer wieder über die Kontoüberziehung regelt. Das ist unseriös und gefährlich für unsere Finanzen!
Weiterführende Links & Downloads
- News: Unsere Ausgangskritik an den selektiven Berichten des Bürgermeisters (11. Juni 2020)
- Antrag: Gegen eine langfristige Ausweitung der Kassenkredite (09. Juni 2020)
- Antrag: Abschaffung riskanter Zinsgeschäfte & Nachholen von Reports (08. Juni 2020)
- Grafik: Die Darstellung der Werte in voller Größe
- PM: Unsere Pressemitteilung hierzu (13. Juli 2020)
- Datenquellen
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2019 (GewSt 2019: 47,1 Mio; Seite 52)
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2018 (GewSt 2018: 37,6 Mio; Seite 51)
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2017 (GewSt 2017: 34,4 Mio; Seite 100)
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2016 (GewSt 2016: 33,8 Mio; Seite 103)
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2015 (GewSt 2015: 27,4 Mio; Seite 100)
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2014 (GewSt 2014: 18,9 Mio; Seite 96)
- Stadtrat Online: Jahresabschluss 2014 (GewSt 2013: 19,5 Mio = 18,9 +0,6, Seite 102)
Über diese Reihe
In „Die Zahl der Woche“ teilen und diskutieren wir regelmäßig Daten, die unsere Stadt und Sie konkret als Dormagener BürgerInnen betreffen.